Mein gruenes Buch by Hermann Loens

Mein gruenes Buch by Hermann Loens

Autor:Hermann Loens [Loens, Hermann]
Format: epub
Tags: Erzählungen
Herausgeber: TUX
veröffentlicht: 2009-11-22T14:00:00+00:00


Im Rauhhorn

Zwei Jahre war ich nicht an der Oertze gewesen. Immer wollte ich hin, und immer kam ich nicht hin und kam nicht hin, bis mich auf einmal eine Sehnsucht packte, die nicht fortzuarbeiten, nicht niederzudenken war, eine Sehnsucht nach der Oertze mit ihren weißen Brücken und ihren grünen Wiesen, nach den undurchdringlichen Postmooren, den feuchten Ellernrieden, den braunbeheideten Dünen, nach den grünen Ufern der Wittbeck und nach der Urwaldwildnis des Rauhhorns.

Wo ich war mit Rad oder Büchse, immer sah ich die weiße Oertzbrücke, immer winkten die grausen Fuhren, immer sah ich die Sandwege leuchten und die blühenden Wiesen lachen, sah die Pferdeköpfe ragen über Strohdächern, und die Dünen schimmerten in der Sonne. Und saß ich am Schreibtisch, dann sah ich es winken mit grünen Zweigen und nicken mit schwarzen Kronen, sah die Klengelei am Sandweg und die Mädchen auf den Wiesen in den weißen Fludderhüten, in den roten Leibchen und den blauen Röcken, und des Rauhhorns Urwaldwildnis dehnte sich vor meinen Augen aus.

Da sah ich ein, es ging nicht mehr. Ich packte den Rucksack und saß am andern Morgen in der Bahn, ließ sie in Celle weiterfahren und kletterte vor dem Wirtshaus zur Sonne auf den Omnibusbock, den Platz, den ich mir ausgemacht hatte. Wie lachten meine Augen in die Heide hinein, streichelten die Birken, Fuhren und Machangeln, strichen kosend über die braunen Weiten und die dunklen Gründe, grüßten frohlockend die düsteren Schafställe und die hellen Fischteiche von Wittbeck, und allen Leuten, den hübschen Mädchen und den humpeligen Frauen, allen nickte ich fröhlich zu, und am liebsten hätte ich den Fuhrmann in den Arm genommen, als die schwarzen Fuhren und die weiße Brücke und das gelbe Haus mit dem Strohdach vor mir in Sicht kamen.

Dann aber kam die Enttäuschung. Beim Mittagessen steckte sich der Himmel schwarz an, und es träufelte und es regnete und es goß. Da half kein Ärger, und ich kroch ins Bett und verschlief Regen und Ärger. Für das Rauhhorn wurde es zu spät, und so bummelte ich nach der Horst, nach dem Fleck, wo in einer weiten Wiese, bunt von hellem Knabenkraut und goldenem Wohlverleih, ein Hochsitz steht in Birken und Ellern. Über mir kreiste der Bussard mit heiserem Katzenschrei, unter mir suchte der Storch Frösche, und vom Holz zu der Wittbeck süßen Wiesen zogen aus den Postverstecken die Rehe, eine Ricke mit tief eingefallenen Flanken, ein Spießböckchen, flott und schneidig, und ein Schmalrehchen, niedlich und hübsch. Und lange nachher, als die Fuhren lange Schlagschatten in die Wiese warfen, da trat weit hinten ein Bock aus. Zu gewagt war mir bei der Weite der Schuß, ich stieg herab und pirschte ihn an, aber der Schlaue kriegte Wind und sprang schimpfend ab.

Spät, als das Rotwild von Hassel wie schwarze Schatten durch Korn und Buchweizen zog, ging ich heim. Eulenruf und Nachtschwalbensang geleiteten mich. Und früh, als beide noch riefen und sangen, stand ich wieder draußen in schwarzgrauer Dämmerung. Schlechte Tage hatte ich gewählt. Es hatte gegossen, die ganze Nacht, schwarz war der Himmel, und um vier Uhr war noch kein Büchsenlicht.



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